Donnerstag, 6. April 2023
8 - Ich hasse Brad Pitt
Hass ist etwas, das man wirklich fühlen muss. Es ist etwas Aktives.

Kurzfassung: Ich kam aus Wien wieder. Habe mich nicht getraut Clara zurückzurufen. Habe Honey zufällig getroffen. Haben uns dann öfter getroffen und jetzt ist das so ein „Kommen Sie zusammen oder nicht“-Ding.

„Warst du eigentlich jemals in der Uni?“, fragte mich Honey, während sie sich anzog. „Ach ja, ich bin ja Student“, dachte ich. Sie legte sich wieder neben mich ins Bett. „Ich hab dich da echt noch nie gesehen. Ich hätte gerne so einen Moment, wie im Film, in dem wir uns zufällig auf dem Campus treffen und nicht genau wissen, ob wir uns grüßen, umarmen oder küssen sollen.“ Sie redete mir immer noch zu viel. „Du willst so einem unbehaglichen Moment ausgesetzt sein?“, fragte ich sie. „Ja, also nein, aber ich stelle mir das lustig vor.“ Sie stand wieder auf und schaute in den Spiegel. „Apropos Film, wollen wir morgen Abend ins Kino?“ Ich nickte nur und sie ging zur Uni.

Ich weiß, dass ich gesagt hatte, sie ist ein normales Mädchen und dass das nicht gut ist blablabla. Aber ich habe letztens etwas Interessantes gelesen. Da wurde jemand gefragt, warum sein Fahrrad blau sei. Die Antwort war einfach. „Weil es das Einzige in seinem Budget war, das noch da war.“ Das rote war ausverkauft, das goldene war zu teuer und grün gab es nicht. So war es auch mit Hannah. Mangel an Alternativen und keine Motivation woanders zu gucken.

Ich konnte mich zu der Zeit eigentlich gar nicht beschweren. Ich hatte ein hübsches Mädchen, das gerne vorbeikommt ohne die Verpflichtung einer richtigen Beziehung und Lars sah ich nur, wenn er mir am nächsten Morgen sagen wollte, dass wir wieder zu laut waren. Ich hatte sogar so viel Selbstvertrauen, dass ich mich zum Schreiben an den Laptop setzte und sagte: „Na dann wollen wir mal zaubern.“ Im Spiegel sah ich einen gut aussehenden jungen Mann, der die Welt erobern kann und auch jedes noch so schwer zu überwindendes Hindernis meistert. Honey tat mir gut. Das hätte ich niemals gedacht.

Am Abend kam sie wieder zu mir. Sie hatte ziemlich Stress mit ihrem Studium und ihrer Bachelorarbeit. Ich schlief einfach mit einer 22-Jährigen fast Bachelor-Absolventin. Ich hörte ihr zu der Zeit sogar gerne zu, obwohl sie wie am Fließband redete. Dann aßen wir Pizza, tranken etwas und machten rum.

Am nächsten Morgen kam ich aus der Dusche in mein Zimmer und sie lag halbnackt in meinem Bett. Ich dachte so etwas gibt es nur in meinen Träumen. Ich stürzte mich sofort auf mein Bett, doch als ich dann mit meiner Hand nach unten fuhr, spürte ich dieses Muster. Ich wurde panisch, doch durfte nicht auffliegen und musste meine hektischen Tastbewegungen stoppen. Ich war mir aber sicher: Das war das Höschen, das ich ihr geklaut hatte und in meinem Nachttisch liegen hatte.

Ich suchte schon nach Argumenten, um mich zu rechtfertigen, doch nachdem ich es ihr ausgezogen hatte, war es nie wieder Thema. Honey war nicht dumm, sie wusste es bestimmt, doch sie machte kein Drama. Ich fing an mich in sie zu verlieben. Wir verabredeten uns für den Abend um ins Kino zugehen. So ein neuer Film mit Brad Pitt.

Ich brachte den Tag irgendwie hinter mich, ist manchmal schwer, wenn man nichts zu tun hat und wir trafen uns im Kino. Es war ein sehr schönes, schon älteres Kino. Ein kleiner Springbrunnen stand im Foyer und die Popcornpreise waren noch erschwinglich. Sie war wieder gestresst und unsicher, wie die letzten Tage auch. Ich hoffte, dass sie durch den Film und dem danach etwas entspannen konnte.

Der Film war okay. Nichts Besonderes. Als ich Honey fragte, wie sie ihn fand, antwortete sie nur kurz: „Ganz gut.“ Ich hatte einen seitenlangen Monolog mit Fußnoten erwartet. „Stimmt was nicht?“, fragte ich. Hannah blieb stehen und schaute mir so ehrlich wie noch nie jemand zuvor in die Augen und sagte: „Nein.“ Ihr kamen fast die Tränen und ring nach Worten. Ich wurde unsicher. So hatte ich sie noch nie erlebt. „Ist es wegen der Uni? Der Bachelorarbeit?“ Sie schüttelte dezent den Kopf. „Hat dich ein Professor angefasst?“ Sie schüttelte den Kopf und sagte bestimmend, fast schon entsetzt: „Nein.“ „Ist es wegen…?“ Ich wollte es nicht aussprechen, aber Hannah verneinte auch dies mit einem kleinen Kopfschütteln. „Du schaffst das mit der Bachelorarbeit schon.“ Ich dachte, ich wüsste genau um was es gehen würde, auch wenn sie es nicht zugeben wollte. „Du machst dir doch schon seit Tagen solche Sorgen.“ Ich wollte sie mit meinem rechten Arm zärtlich zu mir ran ziehen, um sie zu umarmen, doch sie rührte sich nicht von der Stelle. Sie wollte nicht. „Hörst du mir eigentlich jemals zu?“ Sie war sauer. „Die Bachelorarbeit habe ich vor 2 Wochen abgegeben.“ Sie hielt kurz inne. Ich stand nur da und wusste gar nicht, um was es jetzt geht. Hatte ich doch nie wirklich zugehört? „Ich dachte, das würde mir schwer fallen, aber das tut es irgendwie nicht.“ Hannah atmete noch einmal tief ein. „Ich möchte, dass was hier zwischen uns ist, beenden. Das mit Marvin war nur ein dummer Streit, um nichts und ich liebe ihn, glaube ich… und mit ihm sehe ich eine Zukunft.“ Sie wartete auf eine Reaktion von mir, doch ich starrte nur auf den Boden. „Hast du mir dieses Mal wenigsten zugehört?“ Ich nickte kaum sichtbar. „Ja, hab ich.“ Sie seufzte und drehte sich um, um zu gehen. „Was magst du an ihm lieber als an mir?“ Ich habe mal gehört, dass man keine Frage stellen soll, wenn man die Antwort eigentlich gar nicht hören will, doch es musste sein. Sie stoppte und ich spürte, dass sie die Antwort nicht geben wollte: „Du bist halt kein Brad Pitt.“

Ich verlies tagelang nicht mein Zimmer, denn ja ich hatte mich wohl in sie verliebt. In die ganz normale Hannah, bei der man eigentlich erst überlegt, ob man sie liket oder nicht. Als ich wieder in den Spiegel schaute sah ich, dass meine Mundwinkel im Normalzustand nach unten zeigten. Meine Geheimratsecken konnte ich bald nicht mehr verstecken und wie groß war eigentlich diese Nase? Meine Wangenknochen spielten auch schon mein Leben lang verstecken mit mir, doch was ich fand, war mein Doppelkinn, obwohl ich so dünn, ja schon mager war.

Mit dieser Trennung verlor ich das Mädchen, das Höschen und mein Gesicht.

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