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Montag, 18. April 2022
2 - Du hast etwas Tragisches in deinen Augen
pierre-philippe scharf, 18:48h
Du hast etwas Tragisches in deinen Augen
Du hast etwas Tragisches in deinen Augen. Wie konnte sie so etwas zu mir sagen. Sag doch gleich, dass ich wie ein trauriger Lump wirke und ein Lächeln nur aus der Werbung kenne.
Lars, mein Mitbewohner, kam Freitag Nachmittag in mein Zimmer. Standesgemäß klopfte er zweimal, bevor er hineinging, ohne, dass ich ihm ein Zeichen gab, dass er eintreten durfte. Ich hätte alles machen können, ich hätte eine Frau bei mir haben können, okay wir wollen nicht in Fiktion abdriften. Ich lag auf dem Bett und starrte die Decke an. "Hast du Lust, nachher mit zu einer Freundin zugehen? Da ist sowas wie eine kleine Party." Bei den Worten "sowas wie eine kleine Party" bekam ich einen Kotzreiz. Entweder ist es eine Party oder ein Sit-In und damit meine ich nicht eine friedliche Demonstration, bei der sich alle auf den Boden setzen. "Ein paar Arbeitskollegen kommen und auch ein paar Single-Damen." Mit Single-Damen meinte er keine alten Frauen, die man aus Höflichkeit Damen statt alte Frauen nennt, sondern einfach Frauen, hoffentlich in unserem Alter. Ich kannte Lars jetzt schon 4 Monate und ich hatte keine Ahnung, was er beruflich macht. Er sagte nur immer, er geht ins Büro. Im Büro kann man auch putzen. In unserer jungen Freundschaft, wobei Freundschaft schon ziemlich hochgegriffen ist, ich weiß schließlich nicht mal als was er arbeitet, haben wir uns darauf verständigt, kurz Bescheid zugeben, falls jemand mal einen Damenbesuch hat. Deswegen hat sich das Wort Dame bei uns durchgesetzt. In der Hinsicht steht es übrigens 4-0 für Lars.
Er erkannte also, was ich erst in diesem Augenblick erkannte, mein Sozialleben ist nicht vorhanden, sodass er aus Mitleid fragt, ob ich mit zu seiner "kleinen Party" gehen möchte. Ich war jetzt seit 4 Monaten hier in dieser Stadt und hatte bis auf Lars keinen einzigen Menschen gesprochen. Ich war nicht mal beim Friseur. Meine Haare hingen mir im Gesicht rum. Es gab nur mich und meinen Blog, den ich schreibe. Ich sagte also ja und wir gingen hin.
In einem Hemd, das ich auf dem Boden meines Schrankes fand, und mit zurück gegelten Haaren standen wir vor der Tür von seiner Arbeitskollegin Flo. Lars meinte zu Hause noch, dass das eine chillige Runde wird und ich völlig overdressed sei, aber ich zog es dennoch an und hatte es auf dem Weg in den 6. Stock voll geschwitzt. Wie hoch soll ein Haus noch werden?
Ich fragte mich die ganze Zeit für welchen Mädchennamen, Flo die Abkürzung ist. Ich hatte nicht mal den Hauch einer einzigen Idee. Als sie die Tür öffnete, stellte mich Lars ihr als sein Freund und Mitbewohner vor. Ich fragte sie sofort wofür Flo die Abkürzung ist. Doch bevor sie antworten konnte, schob ich noch fragend "Florence?", nach. Es klang, glaube ich, auch etwas verzweifelt, aber ich wenigstens einen Tipp abgeben. Sie lachte und sagte, dass sie einfach Flo heißt. Ich fand die Antwort so bescheuert, dass ich wieder gehen wollte.
Drinnen saß ihr Freund, ein weiteres Paar, ein anderer Typ, leider verdammt gut aussehend, ich hasste ihn sofort und zwei Mädels. Das mussten die Single-Damen sein. Mit beiden hätte ich gut leben können. Leider waren wir die letzten Gäste und der Typ hatte seine Angel schon ausgeworfen.
Um das Eis zu brechen, schlug Lars vor, ein Spiel zu spielen. Er nannte es: Der erste Eindruck. Zwei Leute setzten sich gegenüber und sollen nacheinander Sachen aufzählen, die ihnen beim Gegenüber auffallen. Der hübsche Typ wollte sofort starten und zog das Mädchen, das er an der Angel hatte, auf den Stuhl. Man durfte nicht lange überlegen, sondern einfach ungefiltert sagen, was einem auffällt. Das Mädchen fing an mit "sympathisch." Er sagte, lebensfroh. Sie schmissen sich locker 15 bis 20 Wörter an den Kopf, bis sie dann anfingen zu flirten. "Starke Arme, runder Hintern, anziehende Augen, volle Lippen." Jedem im Raum war es irgendwann unangenehm.
Als sie dann anfingen vor ihren Wörtern rum zu ähmen, fragte ich Lars, ob er mir noch ein Bier vom Balkon holen könnte, da er neben der Tür saß. Die beiden würden gleich keine Wörter mehr finden und ich wollte, dass ich das Spiel mit der anderen Single-Dame spielte und nicht Lars.
Die Single-Dame hieß Linda. Ich dachte eigentlich immer, dass nur Frauen Mitte 30 Linda heißen würden. Wie heißen Lindas, wenn sie jünger oder älter sind? Sie sah auch eher aus wie eine Sarah oder Lena, wie auch immer die aussehen.
Wir saßen uns gegenüber. Ich wollte flirten und sie kennenlernen und im besten Fall heute mit nach Hause nehmen. Ich fing sofort an. Eventuell sogar etwas übermütig. "Schönes Lächeln" "Groß" "Hübsche Haare" Sie musterte mich. War das ihr Ernst? Beim zweiten Wort, weiß sie schon nicht mehr, was sie sagen soll? Sie merkte, meine Zweifel und sagte mit einem Lächeln: "Starke Hände." Ich spürte, wie das Mitleids-Messer tief in meine Brust stach. Sie fand mich nicht attraktiv. Zu null Prozent. Ich war groß, aber viel zu dünn, viel zu lange Haare, sodass man keine Frisur erkennen konnte und bleich wie eine Leiche, war ich auch noch. Meine Hände sind übrigens sehr zierlich. Sie hat sogar gelogen. Ich sagte darauf: "Toller Modegeschmack." Ich habe zwar keine Ahnung von Mode, aber ihre Kleidung sah nicht Scheiße aus. Ich wollte noch nicht aufgeben und ins Flirten kommen. Sie zögerte wieder. Es waren locker 10 Sekunden, bis sie mich anguckte und sagte: "Du hast etwas Tragisches in deinen Augen." Wie konnte sie so etwas zu mir sagen. Sag doch gleich, dass ich wie ein trauriger Lump wirke und ein Lächeln nur aus der Werbung kenne.
Ich fühlte mich Schachmatt gesetzt. Sie hat ja nicht "tragische Augen" oder "besondere Augen" oder nur "Augen" gesagt. Sie hat einen ganzen Satz gebildet und ausgesprochen, als Erste überhaupt in diesem Spiel. Und so einen Satz bildet man nicht einfach spontan. Es war bestimmt das Erste, was ihr aufgefallen ist und es lag ihr die ganze Zeit auf der Zunge. Als ich "schönes Lächeln" sagte, dachte sie nur an meine tragischen Augen und daran, wie komisch es sein wird, wenn sie es anspricht.
Nach ein paar Sekunden Ruhe, aber nicht nur 2,3, sondern eher 10 Sekunden, sodass jeder merkte, dass etwas nicht stimmte, sagte ich noch mit einem Lächeln: "Ich glaube, ich hab das Spiel verloren. Mir fällt dazu nichts mehr ein." Der Freund von Flo musste sich die ganze Zeit das Lachen verkneifen.
Kurz darauf verließ ich die kleine Party. Ich schrieb danach bestimmt 4 Wochen keinen Blogeintrag mehr. Sorry dafür, aber diese "kleine Party" hat mich verändert.
Du hast etwas Tragisches in deinen Augen. Wie konnte sie so etwas zu mir sagen. Sag doch gleich, dass ich wie ein trauriger Lump wirke und ein Lächeln nur aus der Werbung kenne.
Lars, mein Mitbewohner, kam Freitag Nachmittag in mein Zimmer. Standesgemäß klopfte er zweimal, bevor er hineinging, ohne, dass ich ihm ein Zeichen gab, dass er eintreten durfte. Ich hätte alles machen können, ich hätte eine Frau bei mir haben können, okay wir wollen nicht in Fiktion abdriften. Ich lag auf dem Bett und starrte die Decke an. "Hast du Lust, nachher mit zu einer Freundin zugehen? Da ist sowas wie eine kleine Party." Bei den Worten "sowas wie eine kleine Party" bekam ich einen Kotzreiz. Entweder ist es eine Party oder ein Sit-In und damit meine ich nicht eine friedliche Demonstration, bei der sich alle auf den Boden setzen. "Ein paar Arbeitskollegen kommen und auch ein paar Single-Damen." Mit Single-Damen meinte er keine alten Frauen, die man aus Höflichkeit Damen statt alte Frauen nennt, sondern einfach Frauen, hoffentlich in unserem Alter. Ich kannte Lars jetzt schon 4 Monate und ich hatte keine Ahnung, was er beruflich macht. Er sagte nur immer, er geht ins Büro. Im Büro kann man auch putzen. In unserer jungen Freundschaft, wobei Freundschaft schon ziemlich hochgegriffen ist, ich weiß schließlich nicht mal als was er arbeitet, haben wir uns darauf verständigt, kurz Bescheid zugeben, falls jemand mal einen Damenbesuch hat. Deswegen hat sich das Wort Dame bei uns durchgesetzt. In der Hinsicht steht es übrigens 4-0 für Lars.
Er erkannte also, was ich erst in diesem Augenblick erkannte, mein Sozialleben ist nicht vorhanden, sodass er aus Mitleid fragt, ob ich mit zu seiner "kleinen Party" gehen möchte. Ich war jetzt seit 4 Monaten hier in dieser Stadt und hatte bis auf Lars keinen einzigen Menschen gesprochen. Ich war nicht mal beim Friseur. Meine Haare hingen mir im Gesicht rum. Es gab nur mich und meinen Blog, den ich schreibe. Ich sagte also ja und wir gingen hin.
In einem Hemd, das ich auf dem Boden meines Schrankes fand, und mit zurück gegelten Haaren standen wir vor der Tür von seiner Arbeitskollegin Flo. Lars meinte zu Hause noch, dass das eine chillige Runde wird und ich völlig overdressed sei, aber ich zog es dennoch an und hatte es auf dem Weg in den 6. Stock voll geschwitzt. Wie hoch soll ein Haus noch werden?
Ich fragte mich die ganze Zeit für welchen Mädchennamen, Flo die Abkürzung ist. Ich hatte nicht mal den Hauch einer einzigen Idee. Als sie die Tür öffnete, stellte mich Lars ihr als sein Freund und Mitbewohner vor. Ich fragte sie sofort wofür Flo die Abkürzung ist. Doch bevor sie antworten konnte, schob ich noch fragend "Florence?", nach. Es klang, glaube ich, auch etwas verzweifelt, aber ich wenigstens einen Tipp abgeben. Sie lachte und sagte, dass sie einfach Flo heißt. Ich fand die Antwort so bescheuert, dass ich wieder gehen wollte.
Drinnen saß ihr Freund, ein weiteres Paar, ein anderer Typ, leider verdammt gut aussehend, ich hasste ihn sofort und zwei Mädels. Das mussten die Single-Damen sein. Mit beiden hätte ich gut leben können. Leider waren wir die letzten Gäste und der Typ hatte seine Angel schon ausgeworfen.
Um das Eis zu brechen, schlug Lars vor, ein Spiel zu spielen. Er nannte es: Der erste Eindruck. Zwei Leute setzten sich gegenüber und sollen nacheinander Sachen aufzählen, die ihnen beim Gegenüber auffallen. Der hübsche Typ wollte sofort starten und zog das Mädchen, das er an der Angel hatte, auf den Stuhl. Man durfte nicht lange überlegen, sondern einfach ungefiltert sagen, was einem auffällt. Das Mädchen fing an mit "sympathisch." Er sagte, lebensfroh. Sie schmissen sich locker 15 bis 20 Wörter an den Kopf, bis sie dann anfingen zu flirten. "Starke Arme, runder Hintern, anziehende Augen, volle Lippen." Jedem im Raum war es irgendwann unangenehm.
Als sie dann anfingen vor ihren Wörtern rum zu ähmen, fragte ich Lars, ob er mir noch ein Bier vom Balkon holen könnte, da er neben der Tür saß. Die beiden würden gleich keine Wörter mehr finden und ich wollte, dass ich das Spiel mit der anderen Single-Dame spielte und nicht Lars.
Die Single-Dame hieß Linda. Ich dachte eigentlich immer, dass nur Frauen Mitte 30 Linda heißen würden. Wie heißen Lindas, wenn sie jünger oder älter sind? Sie sah auch eher aus wie eine Sarah oder Lena, wie auch immer die aussehen.
Wir saßen uns gegenüber. Ich wollte flirten und sie kennenlernen und im besten Fall heute mit nach Hause nehmen. Ich fing sofort an. Eventuell sogar etwas übermütig. "Schönes Lächeln" "Groß" "Hübsche Haare" Sie musterte mich. War das ihr Ernst? Beim zweiten Wort, weiß sie schon nicht mehr, was sie sagen soll? Sie merkte, meine Zweifel und sagte mit einem Lächeln: "Starke Hände." Ich spürte, wie das Mitleids-Messer tief in meine Brust stach. Sie fand mich nicht attraktiv. Zu null Prozent. Ich war groß, aber viel zu dünn, viel zu lange Haare, sodass man keine Frisur erkennen konnte und bleich wie eine Leiche, war ich auch noch. Meine Hände sind übrigens sehr zierlich. Sie hat sogar gelogen. Ich sagte darauf: "Toller Modegeschmack." Ich habe zwar keine Ahnung von Mode, aber ihre Kleidung sah nicht Scheiße aus. Ich wollte noch nicht aufgeben und ins Flirten kommen. Sie zögerte wieder. Es waren locker 10 Sekunden, bis sie mich anguckte und sagte: "Du hast etwas Tragisches in deinen Augen." Wie konnte sie so etwas zu mir sagen. Sag doch gleich, dass ich wie ein trauriger Lump wirke und ein Lächeln nur aus der Werbung kenne.
Ich fühlte mich Schachmatt gesetzt. Sie hat ja nicht "tragische Augen" oder "besondere Augen" oder nur "Augen" gesagt. Sie hat einen ganzen Satz gebildet und ausgesprochen, als Erste überhaupt in diesem Spiel. Und so einen Satz bildet man nicht einfach spontan. Es war bestimmt das Erste, was ihr aufgefallen ist und es lag ihr die ganze Zeit auf der Zunge. Als ich "schönes Lächeln" sagte, dachte sie nur an meine tragischen Augen und daran, wie komisch es sein wird, wenn sie es anspricht.
Nach ein paar Sekunden Ruhe, aber nicht nur 2,3, sondern eher 10 Sekunden, sodass jeder merkte, dass etwas nicht stimmte, sagte ich noch mit einem Lächeln: "Ich glaube, ich hab das Spiel verloren. Mir fällt dazu nichts mehr ein." Der Freund von Flo musste sich die ganze Zeit das Lachen verkneifen.
Kurz darauf verließ ich die kleine Party. Ich schrieb danach bestimmt 4 Wochen keinen Blogeintrag mehr. Sorry dafür, aber diese "kleine Party" hat mich verändert.
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